Grundlagen - biologisches Vorbild

von genetischen Algorithmen:



Evolution und Genetik

Alle bekannten Lebewesen sind aus Zellen aufgebaut. Die Zellen sind Elementarorganismen, die anstelle von Organen sogenannte Organellen besitzen. Eine Zelle ist die kleinste noch selbständig reproduktionsfähige Funktionseinheit alles Lebenden, d.h. sie benötigt zur eigenen Reproduktion keine weiteren lebenden Substanzen. Sie ist sozusagen ein Wunderwerk und das trotz ihrer geringen Größe. Sie besitzt eine komplexe Struktur, die bis heute noch nicht vollständig verstanden wird. Für jene Zellen, die einen Zellkern (Nukleus) besitzen, stellt dieser eine Art Steuerzentrale dar und ist äußerst bedeutsam für die Vererbungsvorgänge, denn er enthält die Chromosomen, die Träger der Erbsubstanz. Die Chromosomen beinhalten die Gene, die das eigentliche Erbgut ausmachen. Die wichtigste, in den Chromosomen vorkommende Nukleinsäure ist die Desoxyribonukleinsäure (DNS, siehe auch Bild oben). Sie tritt beim Menschen als Doppelstrang ("Strickleiter") auf. Jeder Strang besteht aus Millionen von Nukleotiden. Zwischen den Strängen bilden sich Wasserstoffbrücken und verketten so die Nukleotidstränge. Die gesamte "Strickleiter", die gestreckt bis zu einem Meter lang wäre, ist zu einer Doppelhelix verdrillt und besitzt in diesem Zustand nur noch eine Länge von einigen Tausendstel Millimetern. Jedes Chromosom hat eine bestimmte Architektur und eine dauerhafte innere Struktur, die nur durch bestimmte, seltene Ereignisse (Mutation, Crossover) verändert werden kann. Die Vermehrung und das Wachstum erfolgt durch Zellteilung. Hierbei wird das in den Chromosomen vorhandene Erbgut so aufgeteilt, daß jede Tochterzelle wiederum die vollständige Erbinformation erhält. Dabei reißt die DNS sozusagen wie ein Reißverschluß beim Öffnen auseinander. Aus den beiden getrennten Einzelsträngen werden dann durch einen komplizierten chemischen Prozeß zwei identische Doppelstränge erzeugt, für jede Tochterzelle eine. (Den genauen Ablauf findet man in [SCHÖNEB 94] ausführlich beschrieben.) Durch Röntgenstrahlen, UV-Licht oder Chemikalien können die Chromosomen durch äußere Einwirkungen strukturell verändert werden. Man spricht dabei von Mutation. Mögliche Formen sind Löschungen, Verschiebungen, Verdopplungen und Umkehrungen des Erbgutes auf den Chromosomen. Dieser Vorgang beeinflußt das Erbgut in der Regel negativ. Bei der Zellteilung kommt es an bestimmten Stellen zu Überkreuzungen der Chromosomen. Dieser Vorgang, Crossover genannt, ist für die Verteilung des Erbgutes von extremer Bedeutung, vor allem darum, weil dadurch die Möglichkeit gegeben ist, das Erbgut zweier Elternzellen zu mischen. Die Nachkommen erhalten so jeweils einen Teil der Erbinformation des Vaters und der Mutter.


Sicht des Informatikers

Aus der Sicht des Informatikers ist der Vorgang der Evolution ein spezielles, interessantes Optimierungsverfahren. Es ist das Ziel, jene Erbanlagen zu finden, die ein Lebewesen am besten dazu befähigt, in seiner Umwelt zu überleben. Die Effizienz dieses Verfahrens ist beeindruckend. Erstaunlich ist die relative Einfachheit der Vorgehensweise und das Zusammenwirken der verschiedenen Steuerungsmechanismen. Bei Vernachlässigung einiger Details kann man sagen, daß der Evolutiosprozeß auf drei einfachen Prinzipien beruht:

Es werden hier geschickt gerichtete und ungerichtete Suchprozesse kombiniert.

Mutation ist ungerichtet und dient nur zur Erzeugung von Alternativen. Durch die Mutation ist es möglich, lokale Optima zu überwinden und das Einpendeln bei suboptimalen Lösungen zu verhindern. Die Mutationswahrscheinlichkeiten sind sehr gering (10^-6).

Die Selektion steuert die Richtung, in welche sich das Erbgut verändert, indem sie bewirkt, daß manche Individuen sich stärker vermehren als andere.

Die Rekombination liegt sozusagen dazwischen. Sie mischt zwar zufällig, aber doch nach gewissen statistischen Gesetzmäßigkeiten.

Im Sinne klassischer Suchstrategien erfolgt durch die Evolution eine gekoppelte Tiefen- und Breitensuche.

Um nun dieses Optimierungsverfahren auf vielerlei Probleme anwenden zu können, werden einfach die festgestellten Grundprinzipien der Natur bestmöglich nachgeahmt.


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