Telearbeit - Eine Chance für die Zukunft

Arbeiten wo und wann man will. Wer hat nicht schon davon geträumt? Telearbeit eröffnet sowohl Betrieben als auch Arbeitnehmern neue Möglichkeiten der Kombination von Berufs- und Privatleben. Beide Seiten könnten vielleicht davon profitieren, doch dürfen die damit verbundenen Gefahren keinesfalls übersehen werden. Es stellt sich also die Frage: "Lohnt sich Telearbeit überhaupt?"

Vielen ist wahrscheinlich nicht ganz klar, was Telearbeit eigentlich ist.
Gerade deshalb, und weil sie in so verschiedenen Formen vorkommt, ist eine Abgrenzung notwendig. Allen gemeinsam ist, daß die Arbeit durch Informations- und Telekommunikationstechnik unterstützt und sie räumlich entfernt vom Ort des Arbeits- oder Auftraggebers durchgeführt wird. Die wichtigsten Ausprägungen der Telearbeit sind:

Unabhängig von diesen Unterscheidungen geht Telearbeit meist auch mit einer flexiblen Einteilung der Arbeitszeit einher, wovon sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer profitieren. Telearbeit ist jedoch kein neuer Beruf, sondern nur eine neue Art zu arbeiten, um gewohnte Tätigkeiten auf eine neue Weise durchzuführen.

Für den Arbeitnehmer ergeben sich besonders starke positive Auswirkungen durch die Einführung von Telearbeit. Deshalb kommen viele Anregungen für Pilotprojekte von Mitarbeitern. Durch das Arbeiten von daheim bei (alternierender) Tele-Heimarbeit bzw. in der Nähe gelegenen Satellitenbüros oder Telezentren fällt der Weg zum Arbeitsplatz fast oder ganz weg. Dadurch ergeben sich sowohl Kosten- als auch Zeiteinsparungen, was besonders Pendler aus größerer Entfernung als besonders angenehm bewerten. Es ergibt sich eine Ausdehnung der Freizeit, die nicht auf Kosten des Arbeitgebers geht, sondern diesem noch zusätzliche Vorteile bringt. Als besonders gut wird auch die mit Telearbeit meist einhergehende höhere Flexibilität der Zeiteinteilung gesehen, was eine gewisse Selbstdisziplin voraussetzt. Auf diese Weise kann zwar untertags nicht mehr Zeit bei der Familie verbracht werden als sonst, doch kann die Freizeit viel besser eingeteilt werden. So ist es möglich, sich Kindern oder pflegebedürftigen Angehörige genau dann zu widmen, wenn sie dies benötigen, ohne daß deswegen die Arbeit darunter leidet. Gemeinsame Mahlzeiten und kurze Pausen werden oft positiv erwähnt. Insbesondere für qualifizierte Kräfte ergibt sich durch die Telearbeit auch die Möglichkeit, sich auf einfachere Weise selbständig zu machen, da Investitionen in ein eigenes Büro wegfallen. Die extensive Verwendung von Telekommunikation ermöglicht es, einen viel größerer Kreis an potentiellen Auftraggebern anzusprechen.

Natürlich gibt es auch Nachteile und potentielle Gefahren, die Telearbeit mit sich bringen kann. So ist etwa Tele-Heimarbeit nur dann sinnvoll möglich, wenn ein ausreichend großer permanenter Arbeitsplatz zur Verfügung steht, was nicht für jeden möglich ist. In diesen Fällen finden Nachbarschaftsbüros oder Telezentren ihre Rechtfertigung. Durch die Telearbeit kann es auch zu einer Mehrfachbelastung kommen, da Kinderbetreuung, Haushaltsführung und Arbeit nicht gleichzeitig bewältigt werden können. Es zeigte sich beispielsweise, daß Telearbeit erst dann sinnvoll ist, wenn Kinder sich alleine ohne dauernde Aufsicht beschäftigen können oder einen Kindergarten oder die Schule besuchen. Damit in Zusammenhag steht eine manchmal beobachtete Anfangsschwierigkeit, da Kindern es oft nur schwer verstehen, daß ein Elternteil zwar daheim ist, aber trotzdem nicht dauernd Zeit für sie hat. Durch die Verlagerung des Arbeitsplatzes in die Räumlichkeiten des Mitarbeiters besteht die Gefahr, diesen in eine Schein-Selbständigkeit zu drängen. Dies konnte zwar in Amerika in wenigen Einzelfällen beobachtet werden, wurde jedoch in Europa noch nie berichtet, da alle Telearbeits-Vereinbarungen dies explizit ausschlossen. Bei reiner Tele-Heimarbeit besteht weiters noch die Gefahr, daß es zu sozialer Isolierung kommt, da es weniger Kontakte zu Arbeitskollegen gibt. In den bisherigen Projekten trat dies jedoch nur sehr selten auf, da die Mitarbeiter durch den Wegfall von Pendelzeiten mehr Gelegenheit für außerberufliche Kontakte hatten und dies auch entsprechend nützten.

Telearbeit hat nur dann eine Zukunft, wenn sie auch für den Betrieb von Vorteil ist. Durch die größere Ungestörtheit, seltenere Unterbrechungen und die freiere Zeiteinteilung ergeben sich starke Produktivitätsgewinne. In den bisherigen Modellversuchen stieg das Arbeitsergebnis zwischen 5 und 50 %, wobei der Durchschnitt bei 20 % lag. Zusätzlich zu einer höheren Produktivität ergibt sich oft noch eine bessere Qualität, was ebenfalls auf das konzentriertere Arbeiten sowie auf die höhere Motivation von Telearbeitern zurückgeführt wird. Hier ist jedoch anzumerken, daß durch die Abnahme der informellen Kommunikation wegen der Distanz zwischen den Mitarbeitern die Qualität auch sinken kann, wenn diese für das Ergebnis wichtig ist. Hier eignet sich alternierende Telearbeit besonders gut, ansonsten ist eine möglichst einfache und leistungsfähige Kommunikation zwischen den Mitarbeitern Voraussetzung für den Erfolg. Dies vermindert auch die Gefahr der sozialen Isolation, da auch private Kontakte zwischen Arbeitskollegen trotz Telearbeit möglich sind. Ebenso ergaben Versuchsprojekte geringere Fehlzeiten von Telearbeitern im Vergleich zu ihren Kollegen im Betrieb, was auch zur Produktivitätssteigerung beiträgt. Ein weiterer Pluspunkt der Telearbeit für Firmen ist die stärkere Bindung der Mitarbeiter an den Betrieb. Dies wurde allerdings nur in Europa beobachtet, in Amerika, wo Telearbeit heute schon viel verbreiteter ist, ergibt sich ein gegenläufiger Trend, da Telearbeiter häufiger in die Selbständigkeit abwandern. Durch diese längere Behaltezeit in Europa ersparen sich Firmen Kosten für die Einschulung, die insbesondere wegen des Zeitaufwandes beträchtlich sein können. Ein österreichisches Beispiel hierfür ist eine Versicherung, die für zwei bewährte Mitarbeiterinnen Telearbeitsplätze einrichtete, da diese sonst die Firma verlassen hätten müssen. Dabei fielen einmalige Anschlußkosten von ca. 200.000,- öS an, die jedoch bereits durch den vermiedenen Aufwand für die 2-jährige Einschulung von 2 neuen Mitarbeitern mehr als abgedeckt wurden. Ein weiterer Unterschied zu Amerika existiert bei direkten Kosteneinsparungen. Diese konnten in Europa bisher nur höchst selten bis gar nicht realisiert werden. Echte Einsparungen sind nämlich nur dann möglich, wenn Telearbeiter auf ihren Firmenschreibtisch verzichten, was sowohl bei Teleheimarbeit als auch bei alternierender Telearbeit möglich ist. Im letzteren Fall wird desk-sharing verwendet, wobei sich zwischen 2 und 6 Mitarbeiter einen Schreibtisch teilen, da sie zu verschiedenen Zeiten anwesend sind. Allerdings ist es äußerst schwierig, Europäer dazu zu bringen, im Gegensatz zu Amerika, wo dies eine gängige Praxis ist. Bei einer größeren Anzahl von Telearbeitern lassen sich daher (potentiell) große Beträge einsparen, da die Entschädigung des Mitarbeiters für die betrieblich genützte Wohnungsfläche viel geringer ist, als die Kosten für vergleichbare Büroräumlichkeiten. Relevant werden Einsparungen daher erst dann, wenn steigende Mitarbeiterzahlen neue Räumlichkeiten bedingen würden, was durch die Anstellungen von Telearbeitern vermieden wird. Dieses Szenario ist daher besonders oft der Auslöser für einen Betrieb, es mit Telearbeit zu versuchen. Bei Telearbeitern bringt die höhere Flexibilität auch die Möglichkeit, außerhalb der üblichen Bürozeiten Dienstleistungen anzubieten, was zusammen mit geringeren Kosten und höherer Produktivität die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes steigert.

Ebenso wie bei den Arbeitnehmern können auch beim Arbeitgeber kritische Elemente bei Telearbeit lokalisiert werden, die zu einem Mißerfolg führen könnten. Ein solcher Faktor ist die Leistungsüberprüfung der Mitarbeiter. Geschieht dies bisher noch oft durch die Überwachung der Anwesenheit und der Tätigkeit, so ist dies bei Telearbeit praktisch unmöglich. Daher tritt die dauernde Überwachung zugunsten einer Kontrolle des Fortschritts und des Ergebnisses in den Hintergrund. Dies ist zwar nicht für Telearbeit spezifisch, da sich diese Methode des "management by objectives" auch bei normaler Arbeit bewährt und in immer mehr Betrieben angewandt wird, doch ist sie dort die einzige praktikable Möglichkeit. Zu ihrer Einführung ist jedoch eine Änderung der internen Abläufe notwendig. Damit in Verbindung steht international überall gleich das größte Problem bei der Einführung von Telearbeit, der Widerstand im mittleren Management. Der Grund hierfür liegt darin, daß sich in dieser Gruppe der Arbeitsinhalt stark ändert, im Gegensatz zu den Telearbeitern, bei denen die Veränderung nur die Arbeitsumgebung betrifft, nicht jedoch die eigentliche Arbeit. Diese Veränderungen im Management betreffen einerseits die oben erwähnte Umstellung der Kontrolle, andererseits bedarf es nun einer genaueren Vorbereitung des Arbeitsablaufes. Unvermutete Besprechungen sind nun nicht mehr möglich und nicht alle Mitarbeiter sind jederzeit sofort erreichbar. Ein spezifisch österreichisches Problem sind die Telekommunikationskosten, die im internationalen Vergleich immer noch sehr hoch sind. Dies wird sich mit der bevorstehenden Tarifreform der Telekom zwar verbessern, doch wird ein die Telearbeit förderndes Niveau noch nicht erreicht. Mit der notwendigen Telekommunikation sind natürlich auch Gefahren für die Vertraulichkeit der Daten verbunden, da bei jeder Übertragung von einer problemlosen Abhörmöglichkeit auszugehen ist. Bei sensiblen Daten muß daher für eine Verschlüsselung gesort werden. Ohne weitere begleitende Maßnahmen bestehen jedoch auch dann noch Sicherheitslücken, sodaß auf jeden Fall ein Experte beigezogen werden muß. Weiters ist, wie oben ausgeführt, die informelle Kommunikation bei Telearbeit potentiell gefährdet, was auch den Wissensaustausch negativ beeinflussen kann. Deshalb ist alternierende Telearbeit eine besonders gute Form, da hier an den im Büro verbrachten Tagen die notwendige Abstimmung durch Konferenzen und persönliche Gespräche viel leichter durchgeführt werden kann, als nur über Telefon oder E-Mail.

Nach einer genauen Betrachtung der verschiedenen Möglichkeiten kristallisiert sich neben mobiler Telearbeit besonders die alternierende Telearbeit als zukunftsweisend heraus. Sie ermöglicht es, Beruf und Familienleben besser miteinander zu vereinbaren und so das Leben in positiver Weise neu zu gestalten. Darüberhinaus erlauben es die reichen Erfahrungen aus dem Ausland, die meisten der möglichen Fehler gleich von von Anfang an zu vermeiden. Telearbeit stellt daher eine ernstzunehmende neue Möglichkeit für einen großen Personenkreis dar. Es ergibt sich also der wohl für alle nachvollziehbare Schluß: Telearbeit lohnt sich auf jeden Fall!

 

Dieser Artikel erschien am 28.12.1997 in der Wiener Zeitung.

 

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