Dieses Kapitel soll einige Beispiele bringen, wo Telearbeit bereits eingesetzt wird, wobei sowohl positive als auch negative Erfahrungen dargestellt werden sollen. Die Unterteilung erfolgt hierbei nach den verschiedenen Formen von Telearbeit, wie sie im vorigen Kapitel dargestellt wurden.
Hier werden einige Projekte dargestellt, bei denen Firmen eine eigene Außenstelle für Telearbeiter schufen.
Ausgangspunkt bei diesem Projekt der schweizerischen Telefongesellschaft war ein Satellitenbüro für einen Mitarbeiter mit langem Arbeitsweg, der als DV-Spezialist für STR tätig war. Anschließend wurde das Modell so stark ausgebaut, daß nun alle DV-Projekte des Unternehmens dort abgewickelt werden. [GODE96]
60 Programmier- und DV-Arbeitsplätze sind in 7 Satellitenbüros (genannt: Workcenter) dezentral von der Unternehmenszentrale in Zürich entstanden. [GODE96]
Über 100 Planstellen der Belegabrechnung wurden von Wien nach Indien verlagert, wodurch man sich hohe Kosteneinsparungen und eine Qualitätsverbesserung erhoffte. Eine Qualitätsverbesserung wurde deshalb erwartet, da in Indien ausschließlich Hochschulabsolventen angestellt werden, was in Österreich nicht möglich war. Trotzdem ergeben sich durch das niedrigere Lohnniveau Kosteneinsparungen beim Personalaufwand. Durch den geringeren Lohn kann daher auch mehr Personal zur Prüfung der Belege angestellt werden. Mit 31 Mio. öS Einsparungen pro Jahr konnte das erste Ziel problemlos erreicht werden, doch eine Qualitätsverbesserung konnte nicht erreicht werden. Erst nach einer längeren Anlaufphase konnte der gleiche Standard wie in Österreich sichergestellt werden. Hauptprobleme waren die indische Bürokratie und die Unterschiede in Kultur, Mentalität und Klima, an die sich die österreichischen Mitarbeiter erst gewöhnen mußten, die zur Einschulung und Überwachung bzw. Leitung dort eingesetzt sind. Das größte Problem besteht aber in den relativ hohen Antwortzeiten, die von anfangs 30-40 Sekunden schließlich auf 6-7 s herabgedrückt werden konnten. Aufgrund der Online-Tätigkeit und der Tatsache, daß sich die Computer in Wien befinden und auch nicht ausgelagert werden sollen, ergibt sich mit den langen Antwortzeiten ein theoretisches Einsparungspotential von 5 Personen für jede Sekunde Antwortzeit weniger, da dann die gleiche Arbeit von weniger Personen erledigt werden kann, wenn diese kürzer auf Anfragen warten. Man sieht also, daß die Qualität der Kommunikation von entscheidender Bedeutung für Telearbeit sein kann. [KOHL96]
Bereits 1987 lagerte die Schweizer Post den gesamten Auskunftsdienst in das Bergdorf Schiers (ca. 2400 Einwohner) aus. Mit 12 Bildschirmarbeitsplätzen wurden 29 Teilzeitarbeitsplätze geschaffen. Es ergaben sich sehr hohe Einsparungen durch niedrigere Personal und Raumkosten sowie höhere Produktivität und Flexibilität (ca. 125.000 SFr. pro Jahr). Dieses Projekt diente lange Jahre immer wieder als Vorzeigemodell für Satellitenbüros, da es sehr früh implementiert wurde und sehr erfolgreich ist. [LANN93]
Diese Firma wird gemeinsam von AT&T, Cable (USA) und Wireless (UK) betrieben. Sie stellt Telekommunikationsverbindungen und Ausstattung für 10 verschiedene Firmen bereit. Die Arbeit erfolgt von 600 Angestellten auf Jamaika in einer Zollfrei-Zone, wobei nur niedrig qualifizierte Tätigkeiten angeboten werden (z. B. Dateneingabe). Die Löhne betragen zwischen 10 % und 20 % der in Amerika für diese Tätigkeiten zu bezahlenden Beträge. [KUGE95]
Hier konnten keine eindeutigen Beispiele gefunden werden, was aber u. U. auch darauf zurückzuführen ist, daß Nachbarschaftsbüros nur selten von Telezentren unterschieden werden. Im Zweifelsfall wurden Projekte daher der nächsten Kategorie zugeordnet.
Drei Beispiele für Telezentren bzw. Tele-Dörfern sollen hier dargestellt werden, wobei auch das (derzeit nur in Planung befindliche) österreichische Projekt "Bruck an der Leitung" vorgestellt wird.
Es werden insgesamt 26 Telecenter durch die Regierung gefördert, wobei sowohl Telefondienstleistungen, als auch Sekretariatsservices und Übersetzungsdienstleistungen ausgelagert wurden. [GODE96]
Dieses Projekt wird immer wieder als das österreichische
Paradeprojekt präsentiert und ist nicht mehr ganz neu, doch
besteht bis jetzt nur eine Projektstudie und keinerlei Aussicht
auf baldige Implementierung. Das Projekt läuft im Rahmen der
Telematik-Initiative des Landes Niederösterreich in
Zusammenarbeit mit der IBM Consulting Group, dem Zentrum für
Soziale Innovation und der Akademie der Wissenschaften. Es sollte
sowohl ein Telezentrum mit kleineren Geschäften und
Gemeinschaftseinrichtung als auch insgesamt 80 Wohnungen und 30
Einfamilienhäuser mit sehr guter Telekommunikationsabindung
enthalten. [BONO95], [BONO96], [BARD96], [BRUCK]
Nach letzten Informationen wird gerade ein Verein mit dem Namen "Teleclub" gegründet, der den Bewohnern von Bruck Telearbeit näherbringen soll. Das Telecenter selbst, und damit auch die eigentlichen Telearbeitsplätze, ist wegen Differenzen über die Lokalität noch nicht soweit gediehen, doch es wird mit der Gemeinde weiter verhandelt. Mögliche Standorte sind die Adaptierung einer alten Burg oder ein Neubau auf einem noch festzulegenden Platz. Ein Konsortium, dem auch die lokale Telekabel-Firma angehört, welches das Telezentrum dann betreiben soll, ist jedoch bereits vorhanden. Die Wohnungen und Einfamilienhäuser befinden sich noch im Planungsstadium. (Informationen von: Walter H. Cortina Development, derzeitige Projektbetreuung. Stand: Ende Jänner 1997)
Dieses Telearbeitszentrum wird von der Firma Kapsch errichtet und besitzt 20 Telearbeitsplätze, die mit PC's und Standardsoftware ausgestattet sind. Die Büros können tageweise um S 600,- (incl. MWST und Telekommunikationskosten) gemietet werden, wobei zusätzliche Angebote wie Farb-/Laserdrucker, Fax und Kopiergerät extra verrechnet werden. Als Kommunikationsanschluß dient eine ISDN-Verbindung. An Zusatzleistungen werden Zutritts- und Kontrollsysteme sowie eine Konferenzraum angeboten. Die Arbeitsplätze sind die ganze Woche rund um die Uhr zugänglich, es sind daher auch flexible Arbeitszeiten möglich. Zwei bis drei Arbeitsplätze werden von Kapsch selbst belegt (aus dem firmeninternen Telearbeitsprojekt heraus, siehe unten), die anderen werden frei vermietet (Stadt Wien, Seminar-Zentrum Mariahilf, Forschungszentrum Seibersdorf). [EURO96], [KAPS96a], [STAN96], [BUSI96] (Andere Kostenangabe: S 500,-/Tag exkl. Gesprächs- und Übertragungsgebühren)
Dieser Abschnitt widmet sich der weit verbreiteten Telearbeitsform der Teleheimarbeit, bei welcher der Telearbeitsplatz in der Wohnung des Mitarbeiters angesiedelt ist.
Es wurden Mitarbeiter aus folgenden Bereichen in dieses Projekt einbezogen: Vertrieb, Service, Labor, Forschung und Entwicklung, Produktmanagement und Verwaltungstätigkeiten. Bei der Begleituntersuchung kam man zu sehr positiven Ergebnissen: erhöhte Produktivität, effizientere Arbeit und positive Auswirkungen für Familie und persönliche Lebensqualität. [GODE96] [GLAS95]
DV-Fachaufgaben aus der System- und Anwendungsentwicklung wurden in die Wohnung der Mitarbeiter verlegt. Besonders zu vermerken ist hier die erfolgreiche Auslagerung einer Börsenhändlerin, was eine sehr unübliche Tätigkeit für Telearbeit ist (Nur möglich durch sehr starken Einsatz von Desktop video conferencing, was allerdings eine teure Angelegenheit ist). Befürchtungen bezüglich eines höheren Führungs- und Koordinierungsaufwands bestätigten sich nicht und die Produktivität und Leistung wurden als sehr positiv bewertet. Mitarbeiter berichteten von keinem Verlust sozialer Kontakte, im Einzelfall wurde sogar ein engerer Kontakt zum Vorgesetzten berichtet. Sehr positive Mitarbeiteraussagen runden das Bild eines gelungenen Modells ab. [GODE96]
DV-Spezialisten aus der Systembetreuung, -management, -steuerung und -beratung sowie die Arbeitsvorbereitung und Entwicklung von DV-Verfahren wurden ausgelagert, wodurch eine deutliche Verbesserung der Dienstleistungen und der Mitarbeitermotivation erreicht werden konnte. Die Akzeptanz wurde gerade bei jungen Mitarbeitern als hoch bewertet, woraus sich schließen läßt, daß sie bei älteren Personen eher weniger gegeben war. Die Telearbeit wurde von den Betroffenen als besonderer "Vorzug" und als Privileg bewertet. [GODE96]
Aus den Bereichen Vertriebs- Kunden- und Systemberatung sowie Systementwicklung wurden Mitarbeiter für Tele-Heimarbeit ausgewählt, wobei Wert auf eine sehr sorgfältige Vorbereitung und das Training von Mitarbeitern gelegt wurde. Es wurde eine hohe Motivation und eine Verbesserung der Produktivität und Qualität der Dienstleistungen berichtet. Für die Mitarbeiter ergab sich eine größere Zeitautonomie und eine Reduzierung der Fahrtzeiten. [GODE96]
Es wurden Mitarbeiter aus dem Bereich der Sachbearbeitungstätigkeiten im Versicherungsbetrieb betrachtet, wobei pro Gruppe 3-4 Mitarbeiter für Telearbeit ausgewählt wurden, was zwischen 25 und 50 % der Gruppenmitglieder entspricht. Es wurden nur Vollzeitmitarbeiter mit hoher Qualifikation und guten Fähigkeiten zu selbständiger Arbeit ausgewählt, wobei keine einzige Führungsposition ausgelagert wurde. Rund 80-90% der Arbeit wird von zu Hause erledigt, wobei die Postzuleitung manuell über Boten, Abholung oder Postdienste erfolgte. Es ergaben sich folgende Erkenntnisse: Vermutete Probleme im Arbeits- und Sozialverhalten sind vollständig ausgeblieben, während positive Erwartungen größtenteils erfüllt wurden. Durch die bei der Sachbearbeitungstätigkeit notwendige Online-Verbindung ergaben sich hohe Mehrkosten von rund öS 3.500 pro Arbeitsplatz und Monat. Produktivitätsauswirkungen konnten nicht festgestellt werden, da die selbe Arbeitsmenge an die Mitarbeiter übertragen wurde. Es gab keine Probleme bei Ablauforganisation und Technik, doch sind größere Verbesserungen durch die Nutzung elektronischer Dokumentenzuteilung und weiterleitung möglich. Aufgrund der hohen Zusatzkosten und der geringen Einsparungen (der betriebliche Arbeitsplatz wurde weiter vorgehalten) ist nicht sicher, ob dieser Versuch weitergeführt wird. [PÖLT96]
Von 1400 Mitarbeitern meldeten sich bei einer Befragung 96 für einen Telearbeitsversuch. Wie viele tatsächlich ausgewählt wurden, ist leider nicht bekannt, sondern nur, daß sowohl Mitarbeiter (4/5) als auch Führungskräfte (1/5) aus den Bereichen SW-Entwicklung, HW-Entwicklung, Marketing, Projektierung, technische Koordination, Administration und Produktmanagement daran teilnehmen. Der Versuch ist auf 6 Monate begrenzt, wobei die Mitarbeiter zwischen 1-3 Tage von zu Hause aus ihre Arbeit an einem PC verrichten werden. Für die Datenübertragung wurden ISDN-Leitungen installiert. Der Pilotversuch wird von der Wirtschaftsuniversität Wien wissenschaftlich begleitet, Ergebnisse sind erst Mitte 1997 zu erwarten. Eine Besonderheit bei diesem Versuch (für Österreich) ist, daß bei einem Teil der Telearbeiter auch Desksharing betrieben wird, um die Auswirkungen zu untersuchen. [KAPS96b]
Bei diesem Projekt handelt es sich um viele beteiligte Firmen (3Com, Cisco, HP, Novell, SGI, Pacific Bell, IBM, AT&T, Bank of America, ...), bei denen hauptsächlich Tele-Heimarbeit eingeführt wurde und wird. Es gibt zwei Hauptunterstützungen für Firmen in dieser Region, die Smart Valley Inc. [SVTP] und das Bay Area Telecommuting Assistance Project [BAY] der Regierung. In diesem Bereich gibt es ca. 300.000 Telearbeiter (nach amerikanischer Definition), was 4,5 % der Beschäftigten enstpricht. Der Durchschnitt von ganz Amerika beträgt hingegen nur 1-2 %. Es werden im Durchschnitt 1,85 Tage pro Woche am Telearbeitsplatz verbracht (Einsparung von durchschnittlich 58 Meilen = 93 km und 145 Minuten Fahrzeit pro Tag). Begleitend wurden einige Untersuchungen gemacht, deren Ergebnisse öffentlich zugänglich sind [SVTP]:
Am Forschungsinstitut gibt es zwei verschiedene Arten von Telearbeit. Die Eine betrifft diejenigen Mitarbeiter (Assistenten, Techniker, Sekretariat), die üblicherweise am Institut anwesend sind und "ausnahmsweise" von zu Hause aus arbeiten. Die Zweite ist die Durchführung der Buchhaltung, die ausschließlich von daheim aus durchgeführt wird. Lediglich ca. 1 mal pro Monat wird eine Besprechung am Institut durchgeführt.
Die Telearbeit am FIM unterscheidet sich von betrieblicher
Telearbeit darin, daß fast ausschließlich Akademiker
telearbeiten, die alle zusätzlich eine sehr hohe Motivation
besitzen. Weiters ist es auf einer Universität üblich, daß die
Zeiteinteilung flexibler als in der Wirtschaft ist, obwohl auch
gerade aus diesem Grund (z. B. Wochenende) Telearbeit
durchgeführt wird. Ebenso erfolgt die Leistungskontrolle nach
anderen Kriterien [MÜHL96]. Hinzu kommt, daß es kaum Probleme
mit Hard- und Software gibt, da es sich ausschließlich um
Informatiker handelt. Seit Ende 1994 gibt es freitags keine
allgemeine Anwesenheitspflicht, doch gibt es auch keine
Verpflichtung zur Telearbeit und es sind ebenso andere Zeiten
möglich [MÜHL96]. Die durchschnittliche Zahl der
Telearbeitstage pro Woche liegt etwa bei 1,5. Nach Aussagen ist
es auch üblich, einige Tage pro Woche am Abend daheim zu
arbeiten, wodurch sich obige Zahl ergibt. Die durchgeführten
Arbeiten reichen vom Lesen von Diplom- und Seminararbeiten von
Studenten über das Korrigieren von Übungen, der
Netzwerksverwaltung und der Textverarbeitung bis hin zum
Schreiben von Forschungsberichten und dem Vorbereiten von
Lehrveranstaltungen [FIM]. Probleme ergeben sich daraus, daß
für manche Tätigkeiten umfangreiche Unterlagen in schriftlicher
Form (Manuals, Bücher, Zeitschriften) notwendig sind, die nicht
jedesmal transportiert werden können. Eine Milderung dieses
Problems stellt das Anbieten von Fachzeitschriften über CD-ROMs
dar, die über die Telekommunikationsverbindung auch zu Hause
genützt werden können.
Die Verbindung zum Institut erfolgt regelmäßig durch Anbindung an das Univeritätsnetz (über das Institut), doch ist auch Dateitransfer möglich. Am Anfang wurde mit Modems begonnen (14,4 bis 28,8 kbit/s), doch ist inzwischen auch eine ISDN-Verbindung möglich. Im Stadium der Erprobung befindet sich zur Zeit noch die Anbindung über Dial-Up-Router, die eine Verbindung nur dann aufbauen, wenn Daten transportiert werden müssen und so Telekommunikationskosten sparen. Im folgenden Bild wird die Netzstruktur symbolisch dargestellt:
Abbildung 2: Netzwerkstruktur am FIM
Seit März 1994 wird die Buchhaltung des FIM von einer Frau mit einem schulpflichtigen Kind in Teilzeitarbeit betreut (ca. 12 Stunden/Woche) [MÜHL96]. Die Arbeit wird ausschließlich an dem Wohnort im Salzkammergut erbracht, lediglich 1 mal pro Monat kommt die Mitarbeiterin nach Linz. Die notwendigen Unterlagen werden per Post zugestellt, die zusätzlich notwendige Kommunikation erfolgt über E-Mail, wobei ein analoges Modem zum Einsatz kommt, da keine anderen Aufgaben über diese Telekommunikationsverbindung durchgeführt werden. Die haupsächlichen Vorteile sind die Vermeidung des Pendelns, die Möglichkeit der flexiblen Arbeitszeit und der guten Einteilung mit der Kinderbetreuung. Als problematisch wird die Verminderung der Kommunikation mit den Arbeitskollegen gesehen, was auf die Tele-Heimarbeit zurückzuführen ist. Der Grund für die Einführung der Telearbeit war der Wiedereinstieg ins Berufsleben, wodurch die Chance zur Verbindung beruflichen Tätigkeit mit der "Haus-, Mann- und Kindbetreuung" eröffnet wurde. Die Telearbeit wird von allen Beteiligten als erfolgreich erfahren und wird fortgesetzt werden. [FIM-Gespräch mit der Telearbeiterin]
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Letzte Änderung: 6.10.1997 (c) 1997 Michael V. Sonntag |