2.8 Exekution von Urteilen |
Bezüglich der Exekution von Urteilen stellen sich zwei Hauptfragen: Wer ist überhaupt zur Befolgung verpflichtet und wie kann diese Pflicht durchgesetzt werden, wenn sie abgestritten oder verweigert wird? Dies ist ein besonderes Problem im Gegensatz zum einzelstaatlichen Recht, da der IGH keine Exekutivgewalt zur Verfügung hat. Aufgrund der Souveränität der Staaten haben alle den selben Rang und es gibt keinen Staat, der einen anderen (rechtmäßigerweise) zu einer bestimmten Handlung oder Unterlassung zwingen kann. Die einzige Möglichkeit hierfür ist, die Vereinten Nationen dazu einzusetzen, also die Gemeinschaft aller Staaten gegenüber dem einzelnen rechtsbrechenden Staat tätig werden zu lassen. Dies ist das selbe Problem das sich bei einem Aggressor stellt, da es keine internationale Exekutive oder Armee gibt und daher auf solche von einzelnen Staaten oder Staatengruppen zurückgegriffen werden muß. Es muß allerdings gesagt werden, daß dieses Problem nur sehr selten auftritt, da die internationale Gerichtsbarkeit auch heute noch hauptsächlich in beiderseitigem Einverständnis ausgeführt wird und daher die Urteile meist freiwillig befolgt werden. Erst durch die Einführung der obligatorischen Zuständigkeit stellt sich dieses Problem. In vielen Fällen nehmen die Staaten, die ein Urteil später nicht befolgen, erst gar nicht am Prozeß teil und drücken schon damit ihren Widerspruch aus. Nart Art. 59 des Statuts ist eine Entscheidung nur für den inhaltlichen Gegenstand und auch nur für die Streitparteien absolut verbindlich. Andere Staaten können daraus keine Rechte ableiten. Insbesondere besteht auch keine Präjudizwirkung, sodaß weder der IGH selbst noch andere Gerichte daran gebunden sind. Dennoch ist, wie im innerstaatlichen Recht und im Völkerrecht, davon auszugehen, daß nicht ohne Notwendigkeit von einer einmal getroffenen Regelung abgegangen werden soll. In einer Hinsicht gibt es jedoch eine gewisse Bindungswirkung für andere Fälle, da einmal festgestellte Rechtsgrundsätze oft in späteren Entscheidungen übernommen werden und mit einem Verweis auf eine erneute Feststellung verzichtet wird. Die Verpflichtung zur Befolgung und Anerkennung kann auch über die Streitparteien hinausgehen, wenn Drittstaaten interveniert haben (Art. 81-86 Verfahrensordnung), für die dann ebenso eine Bindungswirkung besteht (Art. 64 Abs. 2 Statut)42. Die Verpflichtung zur Durchführung besteht ausschließlich für den Staat. Wie er die geforderten Folgen herbeiführt, ist ihm überlassen, er hat nur für ihren Eintritt zu sorgen (in der Regel durch Staatsorgane; je nach Folge Verwaltung, Gesetzgebung oder Exekutive). Kommt ein Staat einem Urteil nicht nach, so wird die obsiegende Partei versuchen, die Erfüllung zu erzwingen. Hierbei ist das Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel zum Anspruch zu beachten (insbesondere beim Vermögenszugriff). Ihr stehen dafür im Wege der Selbsthilfe folgende Mittel zur Verfügung (nach allgemeinem Völkerrecht)43:
Über diese (vor allem für kleinere Staaten unzureichenden) Möglihckeiten zur Selbsthilfe hinaus gibt es noch die Möglichkeit, die Entscheidung mit Hilfe von Internationalen Organen duchzusetzen:
Die Exekution von Entscheidungen stellt heute noch ein großes Problem dar, da ein Vollstreckungsapparat fehlt. Darüber hinaus sind auch die zu ergreifenden Maßnahmen bis auf eine Ausnahme immer der Entscheidung einer Institution freigestellt, was eine Durchsetzung weiter erschwert. Um dem IGH den echten Charakter eines Internationalen Gerichtshofs zu verleihen, ist auch eine garantierte Durchsetzung der Urteile nötig. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß dies nicht nur mit großen praktischen Schwierigkeiten verbunden ist (Weltstaat?), sondern auch sicher zu einer sehr viel geringeren Bereitschaft führen würde, dem IGH einen Streitfall zu unterbreiten. 2.8.3 Der Sonderfall der einstweiligen Verfügungen Im Fall von einstweiligen Verfügungen ist die Bindungswirkung umstritten49. Dafür spricht, daß in der Verfahrensordnung (Art. 74, 76 und 77) von Entscheidungen "decisions" gesprochen wird, was in Verbindung mit Art. 59 des Statuts für eine Bindungswirkung spricht. Dagegen spricht, daß in Art. 75 der Verfahrensordnung nur davon die Rede ist, die Parteien sollten die Verfügungen annehmen oder befolgen ("ought to be taken or complied"). Da jedoch Einigkeit darüber besteht, daß ein Staat für die Nicht-Erfüllung einer einstweiligen Verfügung haftet, ist wahrscheinlich eine bindende Wirkung anzunehmen. Von der Bindungswirkung ist die Verpflichtung zur Befolgung zu unterscheiden, die sehr umstritten ist. Dazu kommt noch, daß dazu keine Praxis besteht. Im einzigen Fall eines solchen Antrags wurde die Frage nicht beantwortet, da der IGH wegen mangelnder Zuständigkeit nicht entschied und der Antrag nicht auf Art. 94 der Charta gestützt wurde sondern auf die Art. 34 und 3550. Der Grund dafür ist, daß eine Entscheidung ("decision") wohl kaum einem Urteil ("judgement") gleichzusetzen ist, die in Art. 94 Abs. 2 der Charta erwähnt werden51. Daß jedoch von Verfügungen der Sicherheitsrat unverzüglich zu unterrichten ist (Art. 41 Abs. 2 Statut), spricht für eine Verpflichtung.
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